Arboretum

An das System anschließend, im nördlichen Teil des Gartens, befindet sich unser Arboretum. Im engsten Sinne ist ein Arboretum – das lateinische Wort »arbor« bedeutet Baum – eine Lebendsammlung von Bäumen, die zumindest teilweise wissenschaftlichen Zwecken dient. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen Britische Botaniker diesen Ausdruck zu verwenden, wenngleich es solche Sammlungen bereits schon auch lange vorher gab. Es ist jedoch zu vermuten, dass der Begriff erstmalig 1795 vom deutschen Gartengestalter Friedrich Ludwig Sckell – dem Begründer Englischer Gärten in Deutschland – im Zusammenhang mit einer Bestandserfassung der Gärten des nahegelegenen Schwetzinger Schlosses verwendet wurde. In einem weiteren Sinne, wie auch in unserem Falle, mag ein Arboretum auch Sträucher beinhalten. Arboreten sind oft entweder nach Klassifikationen (Familien, Gattungen) oder nach geographischer Herkunft der Arten geordnet. Das Heidelberger Arboretum ist allerdings lediglich in einen größeren, nördlichen Teil mit Laubbäumen und einem kleineren Bereich mit Nadelgehölzen unterteilt, der sich südlich vom zentral im Garten gelegenen Forschungsinstitut für Pflanzenwissenschaften befindet. Was gibt es in unseren »Zoo für Bäume« zu sehen? Beispielsweise die Europäische Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) – verbreitet vom südlichen Europa bis zum Kaukasus und Libanon – die, Dank des Heidelberger Klimas zu einer imposanten Höhe heranwachsen konnte. Der erste Teil des deutschen Namens nimmt Bezug auf die Blütenstände, die denen des Hopfens ähneln; der Artzusatz im wissenschaftlichen Namen spielt darauf an, dass die Blätter ähnlich denen der Hainbuche (Carpinus) sind. Bemerkenswert ist auch die Süntel-Buche, eine seltene Krüppelform der Rot-Buche (Fagus sylvatica), mit drehwüchsigen Stämmen und miteinander verwachsenen Ästen, von denen es früher besonders große Bestände im Süntelgebirge (Niedersachsen) gab. Ein Blickfang ist auch die winterliche Blütenpracht von Zaubernusssträuchern, wie Hamamelis japonica und H. virginiana, Vertreter einer Gattung, die nur fünf Arten umfasst, die entweder im östlichen Asien oder im östlichen Nordamerika vorkommen. Dieses disjunkte Areal ist ein biogeographisches Muster, das auch in vielen anderen Pflanzengattungen vorkommt. Bei Hammamelis sprechen die Daten dafür, dass diese Disjunktion auf ein, durch Fossilien belegtes, Aussterben in Europa und westlichen Nordamerika vor etwa 5 bis 60 Mio. Jahren gefolgt von einer anschließenden Ausbreitung vom östlichen Asien nach Nordamerika – vermutlich über die Landbrücke der Beringstraße – zurückgeht. Ein beindruckender Baum im Nadelholzarboretum ist der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens): Individuen dieser Art gehören mit einer Höhe von bis zu 115 m zu den größten Bäumen überhaupt und mit einem Alter von 2000 Jahren und mehr zu den ältesten. Unser Exemplar ist ungefähr 50 Jahre alt. Die Zukunft von Arboreten allgemein wird letztlich von der weiteren klimatischen Entwicklung abhängig sein und auch in unserem Arboretum finden sich Bäume, die deutlich durch die extrem trockenen Sommer der letzten Jahre geschwächt sind. Gerade im Arboretum ist der Verlauf der Jahreszeiten eindrucksvoll erlebbar, wozu auch die wechselnden Anblicke seiner Wiesenbereiche beitragen: Die ersten Glanzpunkte im Frühjahr sind der gelb blühende Winterling (Eranthis hyemalis) und eine Reihe von blühenden Geophyten, wie Tulpen, Narzissen und Krokusse. Im Frühsommer sind die Blüten vieler weiterer Arten eine Attraktion für Insekten und Gartenbesucher~innen. Im Mittsommer taucht an einigen Stellen die kleine, unscheinbar blühende Hain-Sommerwurz (Orobanche lucorum) auf, die sich als Parasit mit Wasser und Nährstoffen aus den Wurzeln benachbarter Berberitzen versorgt. Die Hain-Sommerwurz wurde nicht von uns angepflanzt, sondern ihre ultraleichten Samen (0;001 mg) wurden offensichtlich zu uns herangeweht. Sie ist eine Pflanze aus den Alpen, die auf dort heimischen Beberitzenarten parasitiert. Typischerweise befallen Sommerwurzarten immer nur sehr spezifisch bestimmte Wirtsarten. Interessanterweise schmarotzt unsere Hain-Sommerwurz aber auf asiatischen Berberitzenarten, die sie vorher noch »nie gesehen hat«. Später im Jahr blüht die Herbst-Zeitlose (Colchicum autumnale) – eine beliebte Zierpflanze trotz ihrer lebensgefährlichen Giftigkeit. Die Vielfalt auf unseren Wiesen ist auf eine extensive Bewirtschaftung zurückzuführen mit dreimaliger Mahd pro Jahr und Verzicht auf eine zusätzliche Düngung. Wir bitten um Ihr Verständnis, wenn diese trittempfindlichen Flächen nicht als »Liegewiese« zur Verfügung stehen. [Photos: Atmosphäre Frühjahrsaspekt Wiesen, Atmosphäre Arboretum insgesamt, Orobanche lucorum, Eranthis hyemalis]